Einem Mann im Schneidersitz werden Arbeitsmittel angereicht, die er bewusst übersieht. Er macht Quiet Quitting.

Quiet Quitting, Well Being und Act Your Wage sind Begriffe, die Verhaltensweisen von Beschäftigten im Arbeitsleben beschreiben. Quiet Quitting heißt, frei übersetzt: Dienst nach Vorschrift. In den USA ist es inzwischen zu einer Bewegung geworden. Well Being ist der Zentralbegriff der Positiven Psychologie. Er schließt das Wohlfühlen im Arbeitsleben ein. Act Your Wage ist in Konkurrenz zum Quiet Quitting ein neuer Trend. Es ruft besonders die Angestellten in unterbezahlten Jobs dazu auf, nur das Nötigste zu tun. Quiet Quitting reicht bis in die Grauzone zur Arbeitsverweigerung. Act Your Wage ist auf dem Weg in die Mitte zwischen Quiet Quitting und Well Being. Quiet Quitting, Well Being und Act Your Wage konkurrieren um die Schöne neue Welt im Arbeitsleben.

Quiet Quitting

Quiet Quitting bedarf zunächst der Definition und der Übersetzung. Danach folgt die Umsetzung. Außerdem ist sein Verhältnis zur Kündigung und zur Mehrarbeit zu klären.

Definition

Die Defintion des Quiet Quitting stammt von Zaid Leppelin. Er hat unter diesem Pseudonym ein Video auf TikTok veröffentlicht, das inzwischen millionenfach aufgerufen worden ist.

Die Definition lautet: „Du kündigst deinen Job nicht, arbeitest aber nicht mehr, als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben; dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.“

Übersetzungen

Die Übersetzungen von Quiet Quitting sind nicht sehr hilfreich. Sie sind mehr oder weniger Interpretationen im Sinne der Definition.

Die wörtliche Übersetzung stützt sich auf Quitting, das auf Quitting the Job beruht. Gemeint ist das Quittieren des Arbeitsplatzes. Doch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nach der Definition mit Quiet Quitting gerade nicht gemeint.

Die bildliche Übersetzung greift auf feststehende Begriffe in der Zielsprache zurück. Sie führt die Sprachbilder der Originalsprache und die feststehenden Begriffe der Übersetzungssprache zusammen.

Wörtliche Übersetzung von Quiet Quitting

Die wörtliche Übersetzung von Quiet Quitting lautet: stilles Verlassen. Quiet Quitting the job bedeutet: still den Arbeitsplatz verlassen, aufgeben, aber auch kündigen.

Nicht zu verwechseln ist Quiet Quitting the job mit der Inneren Kündigung. Sie markiert einen psychischen Zustand des Mitarbeiters gegenüber der Arbeit.

Alle wörtlichen Übersetzungen zielen auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Doch gemäß der Definition von Quiet Quitting ist ein Arbeitsende gerade nicht beabsichtigt.

Bildliche Übersetzung von Quiet Quitting  

Die bildliche Übersetzung von Quiet Quitting ist der feststehende Begriff „Dienst nach Vorschrift“. Dessen korrekte wörtliche Übersetzung ins Englische lautet nämlich: work to rule.

Dienst nach Vorschrift ist zwar keine Übersetzung, sondern ein feststehender Begriff für Quiet Quitting. Er kommt aber der Definition am nächsten.

Umsetzung von Quiet Quitting

Die Umsetzung von Quiet Quitting besteht im Aussitzen der Arbeitszeit und in der Vermeidung einer Kündigung durch den Arbeitgeber.

Aussitzen der Arbeitszeit

Das Aussitzen der Arbeitszeit meint ein unbeteiligtes Verhalten am Arbeitsplatz.

Das Verlassen, das in Quiet Quitting steckt, ist ein innerer Vorgang beim Arbeitnehmer. Das Aussitzen der Arbeitszeit wird so zur Interpretation und Übersetzung. Mit der Definition von Quiet Quitting hat dieses Verhalten wenig zu tun.

Das Aussitzen der Arbeitszeit passt nicht zur Definition von Quiet Quitting.

Vermeidung einer Kündigung durch den Arbeitgeber

Die Vermeidung einer Kündigung durch den Arbeitgeber ist eine weitere Umsetzung von Quiet Quitting. Sie erschließt sie sich nicht direkt; denn der Quiet Quitter ist nicht der kündigende Arbeitnehmer, sondern der Kündigende ist der Arbeitgeber.

Eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber Anlass zu einer Kündigung des Arbeitnehmers hat. Ein solcher Anlass ist ein Grund zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB. Der Grund muss „dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“ die Kündigung erlauben.

Der Arbeitnehmer muss also einen Grund liefern. Schwindende Arbeitslust kann solch ein Kündigungsgrund durch den Arbeitgeber sein. Der Quiet Quitter kann aber die schwindende Arbeitslust dosieren. Er muss darauf achten, dass er den Arbeitgeber zwar provoziert, aber eine Kündigung vermeidet.

Das Vermeiden einer Kündigung durch den Arbeitgeber ist ein Grenzfall des Quiet Quitting.

Mindestarbeit im Quiet Quitting 

Die Mindestarbeit im Quiet Quitting muss einerseits das Existenzminimum des Arbeitnehmers sichern; anderseits darf es die Existenzsicherung des Arbeitgebers nicht beeinträchtigen.

Mindestarbeit für das Existenzminimum des Arbeitnehmers

Die Mindestarbeit für das Existenzminimum des Arbeitnehmers ist eine Interpretation des Quiet Quitting.

Die Definition richtet sich grundsätzlich gegen die Mehrarbeit. Dagegen rückt diese Interpretation des Quiet Quitting nur diejenige Mindestarbeit in den Mittelpunkt, die dem Arbeitnehmer den Lebensunterhalt sichert.

Diese Interpretation enthält keine Schranke. Dadurch kann die Mindestarbeit gegen Null sinken und wird ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag. Die Vermeidung einer Kündigung durch den Arbeitgeber gehört zur Umsetzung des Quiet Quitting. Wenn Mindestarbeit auf Vermeidung der Kündigung trifft, sind Interessenkollisionen mit ungewissem Ausgang möglich.

Durch die Interessenkollisionen wird Quiet Quitting zur Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“. Sie verschwand, so dass nur ihr Grinsen übrigblieb.

Mindestarbeit zur Existenzsicherung des Arbeitgebers

Die Mindestarbeit zur Existenzsicherung des Arbeitgebers schränkt die Interpretation des Quiet Quitting über das Existenzminimum des Arbeitnehmers ein. Der Arbeitnehmer trägt mit seiner vertraglichen Arbeitsleistung zur Existenzsicherung des Arbeitgebers bei.

Die Reduzierung der Arbeitsleistung auf die Mindestarbeit für das Existenzminimums des Arbeitnehmers kann den Arbeitgeber schädigen.

  • Die Firma bezahlt ein Arbeitsentgelt für nicht erhaltene Leistungen.
  • Das Ausbleiben der Arbeitsleistung führt dazu, dass die Firma des Arbeitgebers ihren eigenen Verpflichtungen gegenüber den Kunden oder Lieferanten nicht nachkommen kann.
  • Bei Insolvenz fällt das Unternehmen als Arbeitgeber aus. Das Existenzminimum des Arbeitnehmers ist nicht mehr gesichert. Quiet Quitting hat sich erledigt.

Die Mindestarbeit zur Existenzsicherung des Arbeitgebers ist eine Interpretation von Quiet Quitting, die das Überleben der Firma sichert. Sie entspricht nicht ganz der Definition von Quiet Quitting, die zur Vertragstreue aufruft. Andererseits schränkt sie die Mindestarbeit für das Existenzminimum des Arbeitnehmers ein. Doch ist diese Einschränkung nicht freiwillig.

Mindestarbeit zur Existenzsicherung des Arbeitgebers und Mindestarbeit für das Existenzminimum des Arbeitnehmers gehören zusammen; denn Quiet Quitting ohne Arbeitgeber hat sich erledigt.

Wirtschaftliche Beurteilung der Firma des Arbeitgebers

Die wirtschaftliche Beurteilung der Firma des Arbeitgebers als Kriterium für Quiet Quitting ist zweifelhaft; denn sie setzt voraus, dass Beschäftigte über den vollen Überblick über die wirtschaftliche Lage verfügen. Dazu müssen sie auch Einblick in Geschäftsgeheimnisse haben. Doch dient das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen „dem Schutz … vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung.“ (§1 Abs 1 GeschGehG). Deshalb ist ein Quiet Quitting, das die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers berücksichtigt, so gut wie ausgeschlossen.

Innere und offene Kündigung – Quiet Quitting

Eine Innere Kündigung passt nicht zum Quiet Quitting, und eine offene Kündigung ist ausgeschlossen.

Innere Kündigung

Die Innere Kündigung kam zu Beginn der 1980er Jahre in Verbindung mit dem Harzburger Modell auf. Das Harzburger Modell ist ein Führungsmodell durch Delegation. Doch es funktioniert nur, wenn der Delegierte die Verantwortung der Führung annimmt.

Innere Kündigung hat sich über die Ablehnung der Verantwortung hinaus zum eigenständigen Phänomen der Arbeitspsychologie entwickelt. Die Arbeitskraft verweigert die volle Arbeitsleistung, zu der sie vertraglich verpflichtet ist. Sie kündigt innerlich, also nicht offen, gegenüber dem Arbeitgeber. Sie verhält sich trotz gültigem Arbeitsvertrag so, als sei sie nicht mehr beschäftigt.

Mit Quiet Quitting hat die Innere Kündigung nichts zu tun; denn der Quiet Quitter leistet seine volle Arbeit, aber nicht über seine vertraglichen Verpflichtungen hinaus.

Offene Kündigung

Die Offene Kündigung ist nicht Bestandteil des Quiet Quitting. Laut Definition wird der Job gerade nicht gekündigt. Die bildliche Übersetzung widerspricht der Definition nicht. Sie heißt nämlich Dienst nach Vorschrift. Er ist nur in einem bestehenden Arbeitsverhältnis möglich.

Vertragliche Mehrarbeit – Quiet Quitting

Die vertragliche Mehrarbeit ist auch im Quiet Quitting zu leisten.

Umfang der vertraglichen Mehrarbeit

Der Umfang der vertraglichen Mehrarbeit ist nicht gesetzlich geregelt. Grundsätzlich ist der Einzelfall zu betrachten. Es hat sich ein Richtwert von 3 – 5 Stunden oder 10 – 15 Prozent pro Woche gebildet. Für den Kalendermonat hat das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Rostock (AZ 2 Sa 26/21) 10 Stunden Mehrarbeit entschieden.

Eine konkrete arbeitsvertragliche Klausel über Mehrarbeit mit festgelegter Höchstzahl an Überstunden ist rechtlich zulässig. Bei deren Überschreiten ist ein Ausgleich zu gewähren. Ein Überstundenzuschlag wird einzelvertraglich selten vereinbart.

Mehrarbeit von Besserverdienenden

Die Mehrarbeit von Besserverdienenden ist laut einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Februar 2012 (AZ: 5 AZR 765/10) mit deren Gehalt abgegolten. Besserverdienende sind:

  1. Gehaltsempfänger oberhalb der Bemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung
  2. Leitende Angestellte
  3. Angestellte mit Einstellungsbefugnis von Personal
  4. Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte laut Handelsgesetzbuch
  5. Beschäftigte mit unternehmerischer Tätigkeit
  6. Dienstleistende höherer Art mit besonderen Fachkenntnissen oder wissenschaftlicher Bildung wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Architekten.

Quiet Quitting ist rechtlich nur zulässig, wenn es die Beurteilung des Einzelfalls hergibt. Für Besserverdienende ist es rechtlich ausgeschlossen.

Call-to-Action

Zur weiteren Lektüre sind die Blog-Beiträge

  • “Quiet Quitting – Well Being (2) – Act Your Wage – Schöne neue Welt”
  • “Quiet Quitting – Well Being – Act Your Wage (3) – Schöne neue Welt”
  • “Quiet Quitting – Well Being – Act Your Wage – Schöne neue Welt (4)”

zu empfehlen.

Fazit

Das Quiet Quitting wird in der Definition als Zurückhaltung der nicht vertragsgemäßen Arbeit beschrieben. Übersetzungen helfen zu seiner Erklärung kaum weiter. Seine bildliche Übersetzung durch den feststehenden Begriff „Dienst nach Vorschrift“ gibt ihn im Deutschen am besten wieder. Sie heißt aber im Englischen wörtlich work to rule. Das Aussitzen der Arbeitszeit oder die Vermeidung einer Kündigung durch den Arbeitgeber sind Umsetzungen von Quiet Quitting. Die geforderte Mindestarbeit soll durch die Existenzsicherung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber begrenzt sein. Eine präzise Beurteilung der wirtschaftlichen Lage durch die Beschäftigten ist so gut wie unmöglich; denn die zur präzisen Beurteilung erforderlichen Daten unterliegen der Geheimhaltung. Eine Rücksichtnahme auf die Überlebensfähigkeit der Firma des Arbeitgebers ist beim Quiet Quitting praktisch ausgeschlossen. Eine vertragliche Mehrarbeit ist auch im Quiet Quitting zu leisten. Deshalb ist Quiet Quitting von Besserverdienenden rechtswidrig.

Fortsetzung am 20.03.2023 mit „Well Being“

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