Der Angefragte steckt wie der Strauß den Kopf in den Sand und umgibt sich mit Schweigen.

Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation ist die neue Form der betrieblichen Korrespondenz. Es macht den Fragesteller ärgerlich, weil er das mit dem Ausbleiben der Antwort verbundene Schweigen nicht zu deuten weiß. Schweigen ist mehr als nicht zu antworten. Es kann nämlich auch ein Verstecken vor der Antwort sein. Doch Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation ist auch zweischneidig; es missachtet nicht nur den Korrespondenten, sondern schützt auch den Schweigenden nicht vor einer Selbstschädigung.

Geschäftliches Schweigen – ein Ärgernis

Auf eine geschäftliche Korrespondenz Schweigen als Antwort zu erhalten, ist ein Ärgernis; Schweigen gehört sich nicht. Auch eine Gegenfrage zu stellen, ist dem Schweigen ähnlich und gilt als unhöflich. So steht es im „Knigge“, „Ueber den Umgang mit Menschen“,  wie Adolph Freiherr von Knigge (1752 – 1796) seinen 1788 erschienen Ratgeber genannt hatte. Die guten Umgangsformen hatte er nicht danach unterschieden, ob die Menschen sich als Privatleute oder im Geschäftsleben begegneten.

So ist auch das folgende Ereignis ein Ärgernis: Der österreichische Komponist Franz Schubert schrieb 1825 an Johann Wolfgang von Goethe  (1749 -1832) die Bitte, sich bei ihm vorstellen zu dürfen. Goethe, der von Schubert bereits gehört hatte, aber schwieg. Es kam zu keiner Begegnung der beiden.

Seitdem hat sich einiges geändert; denn im Privaten ist es nach wie vor ungehörig, nicht zu antworten. Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation ist fast an der Tagesordnung und ein Ärgernis zugleich.

Das Umfeld um das Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation

Das Umfeld um das Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation scheint nur auf den ersten Blick klar geordnet zu sein. Auf der einen Seite stehen die Korrespondenten, die für die Umsetzung ihrer Aufgaben Antworten benötigen. Zu ihnen gehören Dienstleister, die Angebote unterbreiten oder Bedürfnisse erkunden wollen. Auch Initiativbewerber, die sich um eine Anstellung bemühen, zählen zu dieser Gruppe.

Auf den zweiten Blick ist das Umfeld jedoch unüberschaubar; denn beide Seiten der Korrespondenz sitzen am selben Tisch. Nur wann sie die Seiten wechseln, ist nicht vorhersehbar.

Feststeht aber, dass ständig Wechsel stattfinden. Einerseits hat jeder Korrespondent selbst schon einmal ein Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation erfahren. Andererseits hat er bei passender Gelegenheit selbst geschwiegen. Die Initiativbewerber sind keine Ausnahme, obwohl sie zunächst dem Ärgernis der vorenthaltenen Antwort preisgegeben sind. Doch sobald sie eine Anstellung gefunden haben, reihen sie sich nahtlos bei den schweigenden Kommunikatoren ein.

Präzisierung von „Schweigen“

Der Begriff „Schweigen“ ist zu präzisieren, damit sich das Thema nicht in ausschweifenden Betrachtungen verliert; denn ohne Antwort zu bleiben, ist fast in jeder Lebenssituation möglich.

Schweigen in der geschäftlichen Korrespondenz

Da sich das Schweigen als eine Form der geschäftlichen Kommunikation etabliert hat, ist es zum besseren Verständnis weiter einzuschränken. Konkret geht es um schriftliche Anfragen, die ohne Antwort bleiben, also um Korrespondenz.

In der Regel erhalten die Fragesteller aber auch bei mündlichen Nachfasstelefonaten keine Antwort, sondern werden mit Ausflüchten oder Ausreden abgespeist.

Arten des Schweigens

Das Schweigen in der Kommunikation tritt in verschiedenen Arten auf.

Beredtes Schweigen

Beredtes Schweigen ist ein Schweigen, das redet; denn Schweigen kann auch eine Antwort sein. Voraussetzung ist allerdings ein Kommunikationszusammenhang, aus dem sich das Schweigen als Antwort erschließen lässt. Da mit einer Anfrage die Kommunikation erst beginnt, liegt noch kein Kommunikationszusammenhang vor.

Ein beredtes Schweigen kann kein Schweigen statt der geschäftlichen Kommunikation sein.

Falsche Antwort

Eine falsche Antwort ist eine besondere Art des sprechenden Schweigens; denn sie ist zwar eine Antwort, aber sie wirkt mangels erkennbar unrichtiger Aussage wie ein Schweigen. Erst wenn die Fehlerhaftigkeit beseitigt wird, verliert die falsche Antwort ihren Bezug zum Schweigen.

Die falsche Antwort wird zur Antwort.

Ungefragte Antwort

Oft werden in der geschäftlichen Kommunikation gestellte Fragen mit Ausführungen zu anderen Themen beantwortet, die mit der eigentlichen Frage wenig zu tun haben. Diese Antworten sind Ablenkungen, die in einer ungefragten Antwort münden.

Die ungefragte Antwort bleibt ein Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation.

Teilantwort

Die Teilantwort ist wegen ihrer Unvollständigkeit keine Antwort in der geschäftlichen Kommunikation sein. Der fehlende Teil der Antwort kann als eine ablenkende Ausführung, eine falsche oder ungefragte Antwort auftreten. Deshalb beantwortet er die gestellte Frage nicht. Er ist ein Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation.

Der fehlende Teil der Teilantwort kann auch durch Schweigen kommuniziert werden.

Funktionen des Schweigens

Das Schweigen kann viele Funktionen erfüllen.

Schweigen als Missachtung

Schweigen kann auch Missachtung des zur Antwort Aufgeforderten gegenüber dem Fragenden ausdrücken. Bei einer bloßen Anfrage ist schwer zu beurteilen, ob mit dem Schweigen zugleich eine Missachtung verbunden ist.

Sie ist ausgeschlossen, wenn sich Fragesteller und Antwortender nicht persönlich kennen. Sie kann aber indirekt auftreten, wenn bestimmte Berufsgruppen grundsätzlich keine Antwort erhalten sollen. Allerdings kann das Ausgrenzen von geschäftlichen Korrespondenten auch dem Schutz vor Aufdringlichkeit dienen.

Es kommt auf die Beurteilung des Einzelfalles an, ob das Schweigen auch als Missachtung gemeint ist.

Schweigen als Macht

Schweigen ist Macht, wenn es die kommunikative Situation zulässt. Macht und Missachtung durch Schweigen liegen als Ausdrucksformen des Schweigens dicht beieinander.

Es gelten für das Schweigen als Macht deshalb die Ausführungen zur Missachtung entsprechend.

Schweigen als Strategie

Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation als Strategie ist keine Seltenheit; in einigen Fällen ist sie sogar mit Unseriösität verbunden.

Leidtragende vom unseriösen Schweigen als Strategie sind die Dienstleister, allen voran die Berater. Sie werden im privaten Umfeld mündlich oder telefonisch um (Rechts-)Rat gefragt; sie antworten ausführlich und erhalten auf ihre später versandte Rechnung Schweigen.

Wenn die Berater den Schweigenden zur Rede stellen, also selbst gegen das Schweigen als Strategie angehen, erhalten sie Ausflüchte zur Antwort. Der Schweigende habe aus Verbundenheit mit dem Berater geglaubt, die Antwort auf seine Fragen sei kein kostenpflichtiger Rat gewesen.

Selbst vor Gericht kommt Schweigen als Strategie vor. Nicht gemeint ist der Strafprozess, bei dem Schweigen bestimmten Personen erlaubt ist. Das Schweigen als Strategie nutzt eine Prozesspartei, indem sie Schriftsätze vorenthält, mit Antworten auf sich warten lässt oder um Terminverschiebungen bittet. Allerdings sind dem Schweigen als Strategie vor Gericht Grenzen gesetzt, wenn der Richter eine Prozessverschleppung vermutet. Sobald der Richter an einem Vergleich der Parteien interessiert ist, kann das Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation als Strategie aufgehen.

Das Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation findet als Strategie häufig Anwendung, wenn auch mit gelegentlicher Nähe zur Unseriösität.

Schweigen in Redensarten

„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Diese oder andere Redensarten können auch auf das Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation übertragen werden. Ob sie aber stimmig sind, hängt von ihrer Anwendung im Einzelfall ab.

Redensarten können nämlich keine Allgemeingültigkeit beanspruchen.

Schweigen als rechtliches Nullum

Das Schweigen ist im Zivilrecht keine Willenserklärung; es ist ein rechtliches Nullum. Das ändert sich nur, wenn zusätzliche Umstände mit Erklärungsfunktion hinzukommen.

Zur Zustimmung wird das Schweigen gem. § 151 BGB nach der Verkehrssitte oder bei dem Verzicht auf eine Zustimmung.

Nach § 362 Abs. 1 HGB  gilt das Schweigen des Kaufmanns als Zustimmung.

Schweigen als Verneinung normiert §108 Abs. 2 BGB für die Ablehnung der gesetzlichen Vertreter von durch Minderjährige geschlossenen Verträge. Dasselbe gilt für das Schweigen zur Genehmigung durch den vollmachtlos Vertretenen gem. §177 Abs.2 BGB.

Ob Schweigen als Zustimmung oder Ablehnung anzusehen ist, ist auch nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB zu bewerten.

Diese oder andere Sonderfälle täuschen nicht darüber hinweg, dass Schweigen grundsätzlich den Erklärungswert eines rechtlichen Nullums hat.

Zusammenfassung zum Ärgernis

Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation hat sich zum Ärger der Betroffenen durchgesetzt. Natürlich können sich Korrespondenzen selbst zum Ärgernis ausweiten, wenn sie belästigend überhandnehmen. Doch Schweigen ist keine Lösung. Obwohl jeder Geschäftskorrespondent selbst Opfer des Schweigens sein kann, ist es nicht zu stoppen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass jeder Geschäftskorrespondent auch zum Täter des Schweigens statt geschäftlicher Kommunikation werden kann.

Damit ist die Grundlage für einen Kreislauf von Täter zu Opfer zu Täter zu Opfer usw. gelegt. Und das Ärgernis kreist im Circulus vitiosus (fehlerhafter Kreis) mit.

Deshalb ist dieser Kreislauf zu unterbrechen, damit das Schweigen als ärgerliche Form der geschäftlichen Kommunikation entfällt.

Philosophischer Exkurs

Da Schweigen eine Form der geschäftlichen Kommunikation ist, bieten sich grundsätzliche philosophische Überlegungen an.

Die Kommunikation verbindet ihre Teilnehmer miteinander. Schweigen ist ein negativer Bestandteil dieser Verbindung. Rhetorik ist eine Form des Austauschs, Endorhetorik, das Gespräch mit sich (endon altgr. = innen), ist ein Sonderfall des Austausches und auch des Schweigens.

Kommunikation bei Karl Jaspers

International bekannt geworden ist der Psychiater und Philosoph Karl Theodor Jaspers (1883 – 1969) durch seine Existenzphilosophie, die er gegen den Existenzialismus abgrenzte. In „Existenzerhellung“ setzt er sich mit der Kommunikation auseinander.

Beschreibung der Kommunikation

Existenzphilosophisch ist nach Jaspers die „Kommunikation, d.i. das Leben mit den Anderen, wie es im Dasein auf mannigfache Weise vollzogen wird …“. Kommunikation ist also nur mit anderen als „existenzielle Solidarität in Gegenseitigkeit“ möglich. Sie ist ein immerwährendes Gespräch mit dem Äußeren, nicht mit dem Inneren.

Schweigen als Mangel in der Kommunikation

Das Schweigen ist ein Mangel in der Kommunikation. Während des Schweigens ruht die Kommunikation. Die Kommunikation wird durch das Schweigen passiviert.

Die Kommunikation lässt das Schweigen dann aktiv werden, wenn sie es bewusst einsetzt, etwa um Druck auszuüben soll. Doch soll der durch das Schweigen entstehende Leidensdruck durch eine gemeinsame Suspension der Teilnehmer aufgehoben werden. „Trotz allem: Schweigen ist immer auch Mangel als Ausdrucksarmut.“

Existenzphilosophische Schlussfolgerung

Die existenzphilosophische Schlussfolgerung aus den Ausführungen zur Kommunikation von Jaspers lautet: Schweigen ist immer ein Mangel in der Kommunikation.

Endorhetorik bei Peter Sloterdijk

Der Begriff „Endorhetorik“ wird von dem Philosophen Peter Sloterdijk (geb. 1947) in „Du mußt dein Leben ändern“ den „Einsamkeitstechniken: Sprich mit Dir“ zugeordnet.

Endorhetorik steht in Verbindung zu den therapeutischen Techniken der Psychoanalyse. Sie behandeln das Selbstgespräch im Gegensatz zum Psychiater Jaspers als heilungsbedürftige Störung. Endorhetorik bleibt eine Form der Kommunikation, allerdings mit dem Inneren, nämlich mit sich selbst.

Endorhetorische Schlussfolgerung

Die endorhetorische Schlussfolgerung besagt: die geheilte Endorhetorik führt aus der Selbstkommunikation in die Kommunikation mit den anderen Teilnehmern zurück. Das Schweigen muss durch endorhetorische Heilung ebenfalls überwunden werden, damit die Kommunikation wieder gelingt: „Du mußt dein Leben ändern.“

Exemplarische Fälle für keine Antwort

Da sich Beispiele aus dem Berufsleben gut zur Illustration von Problemen eignen, werden zwei exemplarische Fälle zum „Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation“ geschildert.

Fall 1: Hilfe durch die Leitung Personal und Recht

Dieser Fall schildert, wie die Leitung Personal und Recht einer Sekretärin zu Hilfe kam.

Sachverhalt Fall 1

Eine Outplacement-Beratung hatte einen Klienten aufgefordert, ihr Firmen zu nennen, die an seinem Know-how interessiert sein könnten. Das Beratungsunternehmen schrieb als Treuhänder ihres Klienten die genannten Unternehmen an, um für ihn eine Bewerbung um eine Festanstellung anzubahnen.

Schriftliches Nachfassen auf das Schweigen

Da die Outplacement-Beratung keine Antwort auf ihr Schreiben bekam, fasste sie bei einem Unternehmen nach drei Wochen schriftlich nach. Die Beratung wies darauf hin, dass Schweigen weder Zustimmung noch Ablehnung bedeute, und wiederholte noch einmal den Inhalt des Treuhänder-Schreibens.

Telefonisches Nachfassen auf das Schweigen

Als das angeschriebene Unternehmen weiter schwieg, griff eine Mitarbeiterin der Beratung zum Telefon. Die Sekretärin des Inhabers meinte nur: „Wenn der Unternehmer sich nicht gemeldet habe, habe er wohl kein Interesse.“ Die Mitarbeiterin der Beratung gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. Wenn das Unternehmen per Stellenanzeige Fachleute für eine neue Digital-Abteilung suche, benötige sie sicher auch einen Abteilungsleiter. Das Angebot im Treuhänder-Brief beziehe sich genau auf diesen Vorgang.

Antwort zum Schweigen

Unerwartet traf zwei Tage später ein Schreiben der Leitung Personal und Recht bei der Outplacement-Beratung ein. Die Sekretärin habe erklärt, dass sie bei Interesse auf das Angebot zurückkommen werde. Ihr Schweigen bedeute eindeutig eine Ablehnung des Angebots dafür, dass kein Interesse bestehe.

Beurteilung Fall 1

Dieser Fall ist klassisch für ein durch Schweigen begründetes Ärgernis.

Keine Antwort auf das Schreiben

Auf das Treuhand-Schreiben erfolgt Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation.

Keine Antwort auf den Nachfass-Brief

Auch auf den Nachfass-Brief wird die Outplacement-Beratung mit Schweigen bedacht.

Ausrede im Nachfass-Telefonat

Im Nachfass-Telefonat gibt die Sekretärin die Standard-Antwort: „Wenn der Unternehmer sich nicht melde, habe er kein Interesse.“ Als die Mitarbeiterin der Outplacement-Beratung unter Hinweis auf die Stellenanzeigen die Glaubwürdigkeit dieser Aussage bezweifelt, weiß die Sekretärin nicht weiter. Telefonisches Schweigen ist die Folge.

Hilfe der Leitung Personal und Recht

Plötzlich tritt die Leitung Personal und Recht auf den Plan, indem sie in einem Brief die Tatsachen falsch behauptet. Die Ankündigung, man werde sich bei Interesse melden, erlaubt ihr, das Schweigen als ständige Absage darzustellen; denn man hatte noch nichts von sich hören lassen, und der Zeitpunkt der Meldung war in eine unbekannte Zukunft verschoben worden.  

Ergebnis Fall 1

Der Fall ist ein typisches Beispiel für ein Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation.

Ausrede der Sekretärin

Die Ausrede der Sekretärin ist klassisch. Sie schiebt die Verantwortung für das Schweigen auf den Unternehmer. Doch die Mitarbeiterin der Outplacement-Beratung scheint die Sekretärin bei einer Lüge ertappt zu haben. Das Angebot wurde offensichtlich dem Unternehmer gar nicht vorgelegt; denn nur so ist das ungewöhnliche Auftreten der Leitung Personal und Recht zu erklären.

Schutz-Versuch durch die Leitung Personal und Recht

Die Leitung Personal und Recht tischt nicht nur eine Lüge auf, die sie zur rechtlichen Verdrehung des Schweigens in eine Ablehnung nutzt. Sie will offenbar die Sekretärin gegenüber dem Unternehmer vorbeugend in Schutz nehmen.

Sie befürchtet nicht zu Unrecht, dass die Outplacement-Beratung den Unternehmer auf einer Verbandstagung direkt anspricht; denn im Grunde ist unverständlich, warum sich die Leitung Personal für das Tagesgeschäft der Sekretärin, nämlich die Postverteilung, interessiert.

Fall 2: Selbstschädigung

Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation kann auch zur Selbstschädigung führen.

Sachverhalt Fall 2

Auf der Buchmesse bat ein Verleger einen Berater, ihn über interessante Angebote von Verlagsverkäufen zu informieren. Tatsächlich hatte der Berater drei Monate später einen Verlag zum Verkauf, der gut zu der Firma des Verlegers passte. Also schrieb er den Verleger an.

Keine Antwort auf das Angebot

Die Reaktion war überraschend, nämlich Schweigen. Nach zwei Wochen fragte der Berater im Büro des Verlegers nach, da er sich keinen Reim auf das Schweigen machen konnte.

Seine Sekretärin erklärte lapidar: Wenn sich der Verleger nicht gemeldet habe, habe er wohl kein Interesse an dem Angebot. Der Berater entgegnete, der Verleger habe ihn auf der Buchmesse konkret auf Verlagskäufe angesprochen. Doch die Sekretärin blieb bei ihrer Antwort.

Ablehnung der Nachfrage

Schließlich schlug der Berater der Sekretärin vor, sie solle den Verleger noch einmal ansprechen und über das Telefonat unterrichten. Die Sekretärin lehnte ab. Der Berater fasste nicht noch einmal nach, weil in der Zwischenzeit ein anderer Verleger den angebotenen Verlag dringend kaufen wollte.

Buchmesse des Folgejahres

Auf der Buchmesse des Folgejahres bedankte sich der Käufer des Verlages überschwänglich bei dem Berater für die gute Zusammenarbeit – in Hörweite des Verlegers ohne Antwort.

Danach fragte der Verleger den Berater vorwurfsvoll, warum er ihm den Verlag nicht zu Kauf angeboten habe. Er hätte seine Markführerschaft mit dem Kauf komfortabel ausbauen können. Genau das habe er mit einem Angebotsschreiben getan, entgegnete der Berater. Weil er auf die Frage vorbereitet war, konnte er dem Verleger sogar das Datum des Schreibens mit dem Angebot nennen.

Vom Verleger angeordnetes Schweigen

Genau schilderte der Berater dem Verleger, dass und wie er nachgefasst hatte. Er habe sich sein Schweigen nicht erklären können. Aber seine Sekretärin sei nicht zu bewegen gewesen, ihren Verleger darüber zu unterrichten oder einen Kontakt zu ihm herzustellen. Daraufhin versank der Verleger in Schweigen.

Vergleich beider Fälle

Der Fall 2 der Selbstschädigung weist mit dem Fall 1 weitgehende Parallelen auf. Das Schreiben der Berater erhält als Antwort Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation. Die Sekretärinnen verwenden dieselbe Argumentation zur Begründung beim Nachfassen, warum sie auf die Angebote geschwiegen haben.

Abweichung im Zugang

Beide Fälle weichen im Zugang der Angebote voneinander ab. Der Outplacement-Berater hatte sein Treuhand-Schreiben unaufgefordert an den Unternehmer geschickt. Der Verkaufsberater aber war vom Verleger zur Information über einen Verlagskauf persönlich aufgefordert worden.

Abweichung in der Reaktion

Im Fall 1 war die Reaktion auf das Nachfassen die Verteidigung der Sekretärin durch das Einschalten der Leitung Personal und Recht. Im Fall 2 war die Reaktion das Schweigen durch den Verleger. Vermutlich hatte der Verleger seine Sekretärin angewiesen, Schreiben bestimmter Absender, etwa Berater, mit „Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation“ zu beantworten.

Abweichung in den Folgen

Die Folgen auf die geschäftliche Kommunikation durch Schweigen waren ebenfalls unterschiedlich.

Der Unternehmer versäumte, einen qualifizierten Kandidaten für die Abteilungsleitung Digitales kennenzulernen. Der Verleger schädigte sich selbst, weil ihm die Chance eines Zukaufs zur Stärkung seiner Marktführerschaft entging.

Zusammenfassung zu den Fällen

Beide Fälle schildern anschaulich die Auswirkungen, die Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation hervorruft. Das Schweigen bewirkt nämlich nicht nur die Ablehnung eines Angebotes und Verärgerung beim Absender, sondern auch Veränderungen im schweigenden Unternehmen.

Anstelle eines Resümees

Anstelle einer Zusammenfassung soll hier die Aufforderung stehen, das Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation aufzugeben. Die Verbannung des Schweigens aus der Korrespondenz fördert den Fluss des Gedankenaustauschs und den gegenseitigen Respekt. Sie vermeidet Ärgernisse und Selbstschädigungen.

Um dieser Aufforderung mit Goethe (Faust, Eine Tragödie, 1. Teil, Vorspiel auf dem Theater) literarisch Nachdruck zu verleihen:

„Der Worte sind genug gewechselt,

Laßt mich nun endlich Taten sehn, …

Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan, …

Das Mögliche soll der Entschluß

Beherzt sogleich beim Schopfe fassen,

Er will es dann nicht fahren lassen

Und wirket weiter, weil er muß, …“

Call-to-Action

Zur weiteren Lektüre sind der Blog-Beitrag „Lügen im Berufsleben“ sowie die Beraterbriefe

„Vorsicht! – Geschäftsführende Sekretärin“ (Juni 2003) und „Schweigen ist keine Antwort“, (April 2004) (beide www.kettembeil.de) zu empfehlen.

Fazit

Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation auf Anschreiben ist fast üblich geworden, die Anfragen mit oder ohne Angebote an die Firmen enthalten. Diese meist unaufgefordert versandten Briefe sind deshalb nicht weniger geschäftlich als erwartete Schreiben; denn jede Kommunikation beginnt unaufgefordert.

Bei den Anfragenden löst Schweigen Unsicherheit und Ärger aus; denn Schweigen ist ein rechtliches Nullum, das eine Nachfrage provoziert. Es kann auch als Missachtung gedeutet werden.

Philosophisch betrachtet ist Schweigen ein Mangel in der Kommunikation. Es ist einerseits Ausdrucksarmut und andererseits Endorhetorik.

Gewinner im Schweigen statt geschäftlicher Kommunikation ist nicht der Schweigende. Er schädigt sich sogar selbst mit unterschiedlicher Wirkung, wie die beiden geschilderten Fälle belegen.

Categories: Arbeitsleben

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