Der Aufsichtsrat besteigt die Rakete, sein Start-up.

Nicht ohne Risiko ist in der Gründerszene die Übernahme des Mandats eines Aufsichtsrates im Start-up. Aufsichtsräte sind als Ratgeber nicht nur begehrt, sie sind auch rechtlich vorgeschrieben, wenn die Start-ups als Aktiengesellschaften (AG) organisiert sind. Da ihre Aufgaben vielfältig, anspruchsvoll und herausfordernd sind, sollten sich die Mandatsträger vor ihrer Amtsübernahme gründliche Gedanken über die Bedeutung ihrer Aufgabe machen.

Risikolage für den Aufsichtsrat im Start-up

Die Anforderungen an den Aufsichtsrat im Start-up unterscheiden sich von denen eines üblichen Aufsichtsrates, weil die Gründung eines Unternehmens und die Persönlichkeiten der Gründer einer speziellen Begleitung bedürfen. Die Risiken bei der Ausübung des Amtes gehen von den Unwägbarkeiten aus, die den Gründungserlauf bestimmen. Alle Beteiligten unterstellen eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung; aber nur 10 % aller Start-ups erleben ihr fünftes Geschäftsjahr. Deshalb ist ein Aufsichtsrat im Start-up in eigener Sache gut beraten, wenn er vor Annahme des Amtes sich mit 7 Gedanken auseinandersetzt.

Der Aufsichtsrat im Start-up

Deshalb werden zunächst die Besonderheiten aufgezeigt, die den Aufsichtsrat im Start-up kennzeichnen.

Die Organschaft

Der Aufsichtsrat ist ein Organ der Aktiengesellschaft; seine Rechte und Pflichten, sowie seine Haftung bei Fehlentscheidungen sind im Zweiten Abschnitt §§ 95 ff AktG (Aktiengesetz) geregelt. Ist er für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) berufen, richtet sich seine Organschaft  nach der Satzung der Gesellschaft,  die durch § 52 GmbHG modifiziert wird. Rechtlich unterscheiden sich die Aufsichtsräte der Start-ups also nicht von den üblichen Aufsichtsräten.

Die speziellen Anforderungen

Die Begleitung eines Start-ups von seiner Gründung bis zur Etablierung stellt spezielle Anforderungen an den Aufsichtsrat. In erster Linie benötigt er Kenntnisse und Erfahrungen bei Existenzgründungen, deshalb sind Businessangels die richtige Zielgruppe. Sodann sollte er sich sachlich mit dem Geschäftsmodell auskennen, um die Geschäftsidee, den Businessplan und deren geplante Umsetzung beurteilen zu können. Drittens sollte der Aufsichtsrat im Start-up als erfahrener Geschäftsmann in der Lage sein, die jungen Gründer pädagogisch zur unternehmerischen Selbstständigkeit zu führen und zu begleiten.

Risiko beim Start-up

Das Risiko der Übernahme eines Mandates als Aufsichtsrats für ein Start-up liegt in der Existenzgründung; denn nur 10 Prozent aller Starts erzielen die unternehmerische Selbstständigkeit, die Hälfte davon nachhaltig. Die bewunderten „Einhörner“, die eine Milliarde Umsatz überschreiten, dienen zwar als Gallionsfiguren, sind aber „an einer Hand abzuzählen“. Werden scheiternde Start-ups nicht rechtzeitig eingestellt, drohen die Insolvenz und deren Aufsichtsräten gesalzene Schadensersatzforderungen. Die Insolvenzverwalter gelten nicht gerade als zimperlich, haben sie doch die Beweislastumkehr zu Lasten der Organe für die Stellung ihrer Ansprüche und die Rechtsprechung auf ihrer Seite.

7 Gedanken des Aufsichtsrates im Start-up

Beizeiten sollte sich ein Kandidat für den Posten des Aufsichtsrates im Start-up überlegen, ob er das Angebot annehmen soll. Wenn er sich in den einschlägigen Kreisen umhört, erfährt er zuverlässig, dass Schadensersatzforderungen gegen Organe der Existenzgründer die Millionen- Euro-Hürde ohne Anstrengungen nehmen können. Dann wird es Zeit, dass er sich mindestens sieben Gedanken macht, und zwar, bevor er über die Annahme entscheidet.

1. Gedanke: Persönliche Anforderungen

Zuerst muss sich ein Kandidat für die Aufgabe des Aufsichtsrates im Start-up Rechenschaft ablegen, ob er den persönlichen Anforderungen genügt.

In der Regel wird er mit bewundernden Äußerungen zu seiner persönlichen Eignung angesprochen. Seine Erfahrung werde vor allem von der jungen Gründergeneration geschätzt. Diese Ansprache verfängt nicht nur wegen ihrer Schmeichelei, sondern, weil die meistens so Erwählten gern das Füllhorn ihrer bedeutenden Erfahrungen über die jungen Leute ergießen.

Abstand zu sich und seinen Erfahrungen ist die richtige Vorgehensweise zur Beurteilung der persönlichen Anforderungen. Im Übrigen kann gesunde Selbstkritik nicht schaden

2. Gedanke: Sachliche Erfahrungen

Sachliche Erfahrungen können im Berufsleben überall erworben werden. Die Frage ist nur, ob sie auf andere Sachverhalte übertragbar sind, die mit ihrem Erwerb nichts zu tun haben. Helfen Verkaufserfahrungen aus dem Einzelhandel im Immobiliengeschäft? Einige Berufsgruppen sind besonders in der Überschätzung oder Fehlbeurteilung ihrer Berufserfahrungen gefährdet. So schrieb Ernst Forsthoff, ein bekannter Verwaltungsrechtler, in seiner abgelehnten Habilitationsschrift, dass Juristen dazu ausgebildet werden, Entscheidungen ohne Sachkenntnisse zu fällen.

3. Gedanke: Wissen um Gründungen

Das Thema Gründungen hat sich angesichts der boomenden Start-up-Szene zu einem umfangreichen Gebiet entwickelt. Auf ihm tummeln sich inzwischen viele unterschiedlich qualifizierte Matadore wie Beratungsunternehmen, Abteilungen von Kreditinstituten oder Handelskammern sowie staatliche Stellen.

Die Suche nach einer Geschäftsidee, die Bildung eines Geschäftsmodells und die Aufstellung eines Businessplans sind einige der kontrovers diskutierten Themenkomplexe. Deshalb muss der Aufsichtsrat im Start-up zumindest über Grundkenntnisse verfügen, damit er seiner Überwachungsaufgabe gerecht werden kann.

4. Gedanke: Führungserfahrungen

Führungserfahrungen sind für den Aufsichtsrat eines Start-ups erforderlich, obwohl sie auf den ersten Blick entbehrlich scheinen. Aber in den Gründungsteams treten häufig Personalprobleme auf, die sachlich nicht vertretbar sind. Sie beruhen auf dem Verhältnis von Family and Friends der Gründer untereinander und zu Investoren aus deren Umfeld. In solchen Fällen ist ein Machtwort angebracht, das am ehesten befolgt wird, wenn es aus dem Munde eines kompetenten Aufsichtsrats kommt.

5. Gedanke: Branchenkenntnisse

Branchenkenntnisse sind für den Aufsichtsrat im Start-up von Vorteil, damit er die Erfolgsaussichten der Gründung insgesamt oder einzelner strategischer Maßnahmen einschätzen kann. Wenn der Aufsichtsrat ein Branchenkenner ist, kann das Start-up frühzeitig die Gefahr, vom Branchenprimus noch vor der Gründung ausgebremst zu werden, sowie andere Fallstricke bemerken.

6. Gedanke: Beurteilungsvermögen zum Businessplan

Im Businessplan wird das Geschäftsmodell, also die geplante Umsetzung der Geschäftsidee, schriftlich niedergelegt. Enthalten sind Ausführungen zu der Herstellung von Dienstleistungen oder Produkten, die den Geschäftsgegenstand des Start-ups bilden, zum Marketing und Verkauf sowie zur Finanzierung. Ein Aufsichtsrat muss einen Businessplan nicht selbst schreiben, aber ihn lesen können.

7. Gedanke: Erfahrungen in Finanzierungsfragen

Die Finanzierung ist die wichtigste Hürde eines Start-ups, die es zu überspringen gilt, sofern es nicht aus Eigenmitteln gespeist wird. Um seiner Aufgabe gerecht zu werden, muss ein Aufsichtsrat die verschiedenen Methoden der Finanzierung wie Kredite, Förderungsmodelle oder Crowdfunding kennen. Er sollte wissen, wie Bankgespräche ablaufen und welche Gefahren die zweite Finanzierungsrunde birgt, auch wenn die Hausbank des Hauptaktionärs  der Kreditgeber des Start-ups ist. Erfahrungen in Finanzierungsfragen sind unerlässlich.

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Soweit die sieben Gedanken, die sich jeder Aufsichtsrat vor Annahme eines Mandates machen sollte.

Call-to-Action

Ergänzende Informationen zum Risiko in einem Start-up enthalten meine Beraterbriefe „Der gefährdete Aufsichtsrat“ (Mai 2019) und „Aufsichtsrat im Start-up? – Nein, danke!“ (August 2019) auf www.kettembeil.de.

Fazit

Der Aufsichtsrat im Start-up ist nur rechtlich mit dem „gemeinen“ Aufsichtsrat zu vergleichen. Er muss zusätzlich über weitere Kenntnisse, Fertigkeiten oder persönliche Voraussetzungen verfügen, die für die Beaufsichtigung einer Existenzgründung erforderlich sind. Darüber hinaus hat er sich mit dem Risiko zu befassen, das mit der niedrigen Erfolgsquote von Start-ups verbunden ist. Häufig kümmert sich ein Aufsichtsrat, von der Ehre seiner Berufung geblendet, zu spät um diese Fragen, meist erst, wenn der Insolvenzverwalter bereits vor der Tür steht. Um Schaden von sich selbst abzuwenden, sollte er sich vorher mindestens die sieben geschilderten Gedanken machen.

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