Das Scheinwerferlicht steht als Symbol für den Spot.

Die Kontaktbeschränkung und ihre Angstneurose im Krisenmanagement dominieren die Gefahrenabwehr der Corona-Pandemie. Hygiene Konzepte, die Kontakte ohne Infektionen ermöglichen, sind die Gebote der Stunde. Kontakte in unbelasteten Regionen zuzulassen und Vereinsamen zu vermeiden, entspricht der grundrechtlich geschützten Freiheit. Die national im Gießkannen-Prinzip verhängte Kontaktbeschränkung aber bekämpft nicht das Virus, sondern ist Auswuchs der Angstneurose im Krisenmanagement.

Ablauf der Ereignisse

Die Ereignisse um die Entscheidungsfindung zum Teil-Lockdown ab 2. November 2020 liefen anders als erwartet ab.

Vorverlegung des Termins

Für Mittwoch, 28.10.20, war ein Termin zum Krisenmanagement mit den Ministerpräsidenten der Länder vorgesehen gewesen. Die Bundeskanzlerin legte ihn auf Freitag, 30.10.20, vor. Anlass waren die erhöhten Infektionszahlen und das Ergebnis ihrer mathematische Beratung, die einen Anstieg auf 20.000 pro Tag bis Weihnachten voraussagte.

Deshalb duldete eine effiziente Gefahrenabwehr des Corona-Virus keinen Aufschub. Die Bundeskanzlerin wollte so schnell wie möglich einen flächendeckenden Teil-Lockdown mit einer scharfen Kontaktbeschränkung, Reiseverboten und Betriebsschließungen publikumsnaher Branchen erwirken.

Stellungnahmen zur Vorverlegung

Begrüßt wurde der Vorschlag vom Ministerpräsidenten von Bayern, der eine einschneidende nationale Gefahrenabwehr befürwortete. Dagegen kündigte der Ministerpräsident von Thüringen an, er werde aufgrund der geringen Verbreitung des Corona-Virus in seinem Land den angekündigten Maßnahmen nicht zustimmen; denn seine Landesregierung sei „keine nachgeordnete Behörde“ der Bundesregierung. Unterstützt wurde er von der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Sie verwies darauf, dass die niedrigen Infektionen im Norden nicht mit den hohen Zahlen in Bayern zu vergleichen seien.

Beschlüsse der Schaltkonferenz

Vor der Schaltkonferenz am 28.10.20 hatte sich das Corona-Krisenkabinett auf eine Kontaktbeschränkung und einen wirtschaftlichen Teil-Lockdown verständigt. Der Termin mit den Ministerpräsidenten zum Krisenmanagement gegen das Corona-Virus dauerte nur 90 Minuten.

Einstimmig wurde beschlossen:

  • Kontakte von Privatpersonen im öffentlichen Raum und in Wohnungen sind auf maximal zehn von zwei Haushalten zu beschränken.
  • Betriebe des Gaststättengewerbes, der Unterhaltung, der Kultur und des Sports, aber auch Messen sind zu schließen.
  • Private Reisen sind bundesweit verboten.

Dieser Teil-Lockdown trat am 2.11.20 in Kraft. (zur ergänzenden Lektüre empfohlen: „Politisches Krisenmanagement und seine Tücken für die Betriebe“)

Umsetzungen der Beschlüsse

Die folgende Umsetzung der Beschlüsse zur Gefahrenabwehr der Corona-Pandemie fiel trotz allem unterschiedlich in den Ländern aus:

Bayern verschärfte, gefolgt von Schleswig-Holstein, die beschlossenen Maßnahmen.

Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern passten sich den Beschlüssen an, obwohl sie ein Abweichen angekündigt hatten.

Sachsen-Anhalt und Berlin führten die Liste der Länder an, die Erleichterungen vorsahen.

Beurteilung des Ereignisses

Selbst wenn die Beschlüsse der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder nur einen Teil-Lockdown im Gegensatz zu der Gefahrenabwehr im Frühjahr 2020 bewirken, dürfen sie nicht bundesweit verordnet werden.

Eine Nationalisierung aus falsch verstandener Solidarität führt zu Ungerechtigkeiten in den vom Corona-Virus weniger befallenen Gebieten. Kontakte sind z.B. nur dort zu beschränken, wo sie wirkungsvoll Infektionen verhindern und wo sie keine anderweitigen Schäden anrichten können.

Kontaktbeschränkung

Die Kontaktbeschränkung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Infektionen vorwiegend im privaten Bereich stattfanden und auch dort anstiegen.

Infektionsherde seien gerade Personen, die ihre eigene Infizierung nicht spüren und deshalb ungewollt andere Leute anstecken. Die Kontaktbeschränkung diene also dem Schutz der Bevölkerung vor Ansteckungen mit dem Corona-Virus. Sie basierte auf der Angst der Entscheider, dass sich das Virus exponentiell verbreiten und die Infektionsgefahr entsprechend erhöhen könnte.

Unsichere Zahlenbasis

Den Entscheidungen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten liegt eine unsichere Zahlenbasis zugrunde.

Technische Übermittlungsfehler

Die technische Übermittlung von Infektionszahlen ist fehlerbehaftet; denn nur 60 Prozent aller Gesundheitsämter nutzen die Übermittlungssoftware des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Die anderen verfügen über eigene Programme, die für falsche Inhalte, Datenverluste oder Doppelungen ursächlich sind. Weitere Fehler entstehen bei Nachprogrammierungen von Updates der RKI-Software.

Organisatorische Übermittlungsfehler

Organisatorische Übermittlungsfehler treten bei der Dateneingabe durch Mitarbeiter der Gesundheitsämter auf. Außerdem sind an Wochenenden viele Gesundheitsämter geschlossen.

Auch die Überlastung der Labore behindert die rechtzeitige Übermittlung von einschlägigen Informationen.

Das RKI selbst ist nicht fehlerfrei und hat des Öfteren seine veröffentlichten Zahlen mit merkwürdigen Begründungen korrigiert. Im Übrigen definiert es die Infektionstoten nicht nur als die am Corona-Virus Verstorbenen; sondern es zählt auch die Personen hinzu, die zwar mit dem Corona-Virus angesteckt waren, aber an dieser Ansteckung nicht ursächlich gestorben sind.

Mangelhafte Nachverfolgung

Die Nachverfolgung der Informationsketten ist mangelhaft, weil nur 25 Prozent der gemeldeten Fälle wegen Überlastung der Gesundheitsämter nachverfolgt werden. Es fehlt immer noch am vom Bund zugesagten Geld für die Einstellung des erforderlichen Personals.

Statistische Mängel

Statistische Mängel basieren auf der Fehlerquote der Testergebnisse. 10 Prozent gelten pauschal als fehlerhaft. In Bayern wurden sogar 58 von 60 Personen fälschlich als Corona-positiv ausgewiesen.

Über die Gruppe der Personen, die ihre eigene Infektion nicht bemerken, aber ansteckend sind, liegen keine Zahlen vor. Der Grad ihrer Gefährlichkeit für die Bevölkerung ist unbekannt.

Angstneurose im Krisenmanagement

Unbestritten ist, dass bei steigenden Infektionszahlen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Krisenmanagement gegen das Corona-Virus zu ergreifen sind. Aber sie müssen wirkungsvoll, verhältnismäßig und angemessen sein.

Scharfe Eingriffe in Freiheitsrechte aufgrund der dürftigen Zahlenbasis sind unvertretbar. Sie kommen aber trotzdem zustande. Dieser Umstand fordert zu tiefenpsychologischen Überlegungen heraus.

Angstneurose in der Entscheidungsfindung

Die Angst kann, psychoanalytisch betrachtet, Verhaltensweisen, also auch Entscheidungen tiefgreifend beeinflussen. Die Angst ist notwendig, wenn sie angemessen als natürliche Warnung vor Gefahren wahrgenommen wird.

Sobald sie in übertriebene Ängstlichkeit umschlägt, kann sie von der Persönlichkeit Besitz ergreifen und zur Verhaltensstörung werden. Die sogenannte Angstneurose kann nicht nur die Entscheidungsfindung negativ beeinflussen, sondern auch unangemessene Entscheidungen provozieren.

Sigmund Freud 1894/1895 – Angstneurose

Die Angst als Grundlage für Verhaltensweisen, also auch für Entscheidungen, hat Sigmund Freud (1856 – 1931) schon im Jahr 1895 analysiert, als er sich damit beschäftigte, die Angstneurose von der Neurasthenie abzutrennen.

An einem Beispiel beschreibt er: die Wahrnehmung von zwei Personen an einem bestimmten Ort habe bei der Patientin die Assoziation erzeugt, es sei ein Unfall geschehen. Aus dieser Einbildung habe sie geschlossen, der Unfall betreffe ihre Familie. Sofort habe die Einbildung eine reale Angst ausgelöst und zur Angstneurose geführt.

Anwendung der Angstneurose auf die Entscheidungsfindung

Auf die Entscheidungen zur Kontaktbeschränkung beim Teil-Lockdown angewandt, sagt das Beispiel: Zwei Personen sind zur Ansteckung mit dem Corona-Virus ausreichend. Die Angstneurose vor Infektionen setzt bereits bei zwei Kontaktmöglichkeiten ein.

Deshalb ist die Kontaktbeschränkung auf maximal zehn Leute aus zwei Haushalten angstneurotisch begründet. Sie basiert nämlich auf der überzogenen Angst, das unsichtbare Corona-Virus müsse ab dieser Personenzahl auf jeden Fall anwesend und ansteckend sein. Schließlich reichen aber theoretisch schon zwei Personen zur Ansteckung aus.

Sigmund Freud 1925/1926 – Tierphobie und Agoraphobie

Etwa 30 Jahre später überarbeitet Freud seine Theorie der Angstneurose, indem er  „Die Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben (1909)“ wieder aufgreift.

Tierphobie bei „Groß und Klein“

In diesem Fall hat der kleine Hans Angst vor Pferden. Diese Angst, Tierphobie genannt, ist eine reine Affektreaktion, die bei jeder Begegnung mit einem Pferd auftritt. Obwohl sie bei Hans jeder objektiven Grundlage entbehrt, unterscheidet sie sich nicht von einer Realangst. Die Tierphobie tritt unter reichhaltigeren Umständen auch bei Erwachsenen auf. Sie kann sich also für „Groß und Klein“ zur Angstneurose auswachsen.

Anwendung der Tierphobie auf die Entscheidungsfindung

Dem Tier vergleichbar ist ein Virus, obwohl es als Lebewesen umstritten ist. Das Corona-Virus ist ein Grippe-Virus. Wer im Kleinkind-Alter an Grippe erkrankt ist, kann eine neurotische Angst entwickeln. Sie lässt sich in das Erwachsenenalter mitnehmen und auch auf Corona projizieren.

Auf die Entscheidungsfindung bezogen, kann eine Angstneurose gegenüber der Grippe unangemessene Entscheidungen zur unverhältnismäßigen Kontaktbeschränkung in der Corona-Pandemie auslösen.

Agoraphobie bei Erwachsenen

Wenn sich eine Angstneurose erst im Erwachsenenalter mit reichhaltigeren Symptomen bildet, ähnelt sie der Agoraphobie (Platzangst) .

Der Agoraphobe legt sich nämlich wie der Angstneurotiker Beschränkungen auf: „Als einfaches Beispiel führe ich den Fall eines jungen Mannes an, der agoraphob wurde, weil er befürchtete, den Lockungen von Prostituierten nachzugeben und sich zur Strafe die Syphilis zu holen.“

Anwendung der Agoraphobie auf die Entscheidungsfindung

Bei Entscheidungsfindungen darf die Angstneurose auch nicht im Gewand der Agrophobie auftreten, indem sie sich unangemessene Beschränkungen auferlegt. Aus übertriebener Angst vor Ansteckungen mit dem Corona-Virus im Freien wie in Räumen bestraft sie sich mit zu einer zu eng gefassten Kontaktbeschränkung.

Zusammenfassung zur Angstneurose im Krisenmanagement

Ob angstneurotisch von Kindesbeinen an oder agoraphob im späteren Leben, Entscheidungsträger im Krisenmanagement müssen ihre Störungen psychoanalytisch selbst beseitigen. Sie dürfen die Beschränkungen auch nicht ersatzweise auf andere Personen überwälzen.

Die Kontaktbeschränkung gegenüber den Bürgern ist zwar ein erzwungener Verzicht auf die Freiheitsrechte zur Vermeidung von Infektionen. Sie bestraft aber nur die betroffenen Personen mit dem Verzicht. Deshalb ist sie der untaugliche Versuch, die Entscheidungsträger von der Angstneurose bei der Entscheidungsfindung im Krisenmanagement zu befreien.

Quintessenz aus dem Ereignis

Die im Krisenmanagement von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten gefassten Beschlüsse sind ausschließlich Varianten der Kontaktbeschränkung. Sie greifen entweder direkt oder indirekt durch Betriebsschließungen in publikumsnahen Branchen pauschal oder undifferenziert in die privaten Freiheiten ein. Auch Kollateralschäden in benachbarten oder zuliefernden Branchen bleiben unbedacht.

Die Zahlenbasis der Infektionen, auf der die Beschlüsse zur Kontaktbeschränkung beruhen, ist alles andere als sicher. Bei der Übermittlung treten technische und organisatorische Mängel auf. Nur ein verschwindend geringer Teil der Ansteckungen mit dem Corona-Virus lässt sich nachverfolgen. Auch die Statistik der Testergebnisse ist fehlerhaft.

Trotz dieser Unsicherheiten wurde die Kontaktbeschränkung eingeführt. Deshalb ist die Grundlage für die Entscheidungen tiefenpsychologisch zu analysieren. Dazu bietet sich die „Angstneurose“ bei Sigmund Freud an, die für Kinder an der Tierphobie und Erwachsenen an der Agoraphobie erläutert wird; denn sowohl die Entscheidungsträger als auch die Bevölkerung haben Angst vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus.

Angst ist weder eine gute Ratgeberin noch eine geeignete Basis für Entscheidungen. Neurosen sind es erst recht nicht. Eine Kontaktbeschränkung, die auf Angst und Neurosen beruht, ist untauglich zur Gefahrenabwehr des Corona-Virus. Die Kontaktbeschränkung und ihre Angstneurose im Krisenmanagement bilden deshalb eine unheilvolle Allianz, die es dringend aufzulösen gilt. Sonst werden die Angstneurotiker nicht wie Woody Allen „Stadtneurotiker“ sondern „Staatsneurotiker“.

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